Herr Knape, warum musste in Oberhof das Stromnetz grundlegend modernisiert werden?
„Die Netzanforderungen und Lastschwerpunkte hatten sich grundlegend geändert. Das Netz war ursprünglich so ausgebaut, dass 90 Prozent der Gebäude im damaligen Haupturlaubsort der DDR mit strombetriebenen Nachtspeicheröfen beheizt werden konnten. Es sollte der sonst so häufige Hausbrandsmog nicht zu sehen sein. Mit der Modernisierung der Heizungen im Ort fiel dann diese riesige Stromlast weg. Zugleich kamen neue Sportstätten und Hotels dazu. Zudem stammten Teile des Netzes noch aus der Zeit vor der Wende und waren in die Jahre gekommen.“
Welche Rolle spielten die vielen Großveranstaltungen, wie zuletzt die Biathlon-WM?
Da gab es keinen unmittelbaren Zusammenhang – auch wenn wir uns natürlich gefreut haben, dass bei der WM die Stromversorgung reibungslos funktionierte - und auch die Integration der neuen erneuerbaren Energienanlagen, die der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum (TWZ) inzwischen zur Versorgung seiner vielen energieintensiven Sportstätten nutzt, reibungslos funktionierte. Das bestätigt uns, dass wir mit unseren Planungen richtig lagen.
Hat das ehrgeizige Konzept des TWZ, den Beweis anzutreten, dass Wintersport und Nachhaltigkeit zusammenpassen, nicht ihre Netzplanungen durcheinandergebracht?
Im Gegenteil, das war ein Glücksfall. So konnten wir unsere Planungen in enger Zusammenarbeit immer wieder aufeinander abstimmen und Fehlinvestitionen vermeiden – auf beiden Seiten. Eine Lehre aus diesem doch recht komplexen Projekt ist sicherlich, dass es ganz wichtig ist, alle Beteiligten frühzeitig an einen Tisch zu holen, die Erwartungen und Sichtweise der Partner kennenzulernen, zu verstehen, einzubeziehen und immer wieder abzugleichen. Schlussendlich war es eine gelungene Gemeinschaftsarbeit mit der Stadt Oberhof, dem TWZ und allen Bereichen der TEAG-Gruppe.
Ursprünglich sollten sich die Sportanlagen ja nahezu autonom mit grünem Strom versorgen ...
Richtig. Es stellte sich jedoch bereits in der frühen Planungsphase heraus, dass trotz der Nutzung eigenerzeugter grüner Energie aus Biomasse-Blockheizkraftwerken und Photovoltaik-Anlagen, flankiert von Energiespeichern und Abwärmenutzung, die Skisporthalle, die Eisarena, die Flutlicht-, Beschneiungs- und Kühlanlagen und die sonstige Infrastruktur auch zukünftig auf ein leistungsfähiges, öffentliches Stromnetz angewiesen bleiben.
Was heißt das?
Es war ja nicht nur sicherzustellen, dass die Sportstätten auf Netzstrom zurückgreifen können, wenn die Eigenerzeugung nicht ausreicht. Auch überschüssig erzeugter Strom sollte im Bedarfsfall in das öffentliche Netz eingespeist werden können. Insgesamt haben wir das Netz in Oberhof mit neuem Schwerpunkt um die Sportstätten herum angelegt, die Innenstadt teilweise neu verkabelt, sechs Kilometer Mittelspannungskabelsysteme neu verlegt und die Betriebsspannung an den heutigen Lastschwerpunkten von 10 auf 20 kV umgestellt. Außerdem hat uns das TWZ die Betriebsführung seines eigenen Netzes übertragen – auch ein Beleg für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Hat das Großprojekt Oberhof nicht bei anderen Ausbauprojekten in Südthüringen Lücken gerissen?
Die Frage verstehe ich, kann sie aber klar verneinen. Keine einzige der in unserem Netzentwicklungsplan vorgesehenen Maßnahmen mussten wir deswegen zurückstellen. Das war auch ein Grund, warum wir den Netzausbau in Oberhof über drei Jahre gestreckt haben. Wenn es mal Verzögerung gibt, dann liegt das momentan an Problemen bei der Beschaffung von Material und Anlagen.