Freitag, 7. Juni 2024
Zur Dekarbonisierung vor allem der Glasindustrie am Rennsteig hatten die Wirtschaftsminister von Bayern und Thüringen, Hubert Aiwanger und Wolfgang Tiefensee, im vergangenen Jahr den Startschuss für eine länderübergreifende Modellregion gegeben. Zu den in einem Impulspapier definierten Handlungsfeldern gehört auch die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff. In dem Papier heißt es unter anderem, es sei zu prüfen, „inwieweit die Gasnetzbetreiber der Glasindustrie am Rennsteig einen Anschluss an das nationale Wasserstoffnetz ermöglichen (…) können“. Darüber hinaus besteht auch bei vielen energieintensiven Betrieben im Raum Nordwestoberfranken großes Interesse an einer solchen Anbindung.
Genau dieser Aufgabe nehmen sich die sieben Gasnetzbetreiber der Region – Bayernwerk Netz GmbH, Ferngas Netzgesellschaft mbH (Sitz in Schwaig bei Nürnberg), Licht- und Kraftwerke Sonneberg GmbH, Stadtwerke Lichtenfels, Stadtwerke Neustadt GmbH, SÜC Energie und H2O GmbH (Coburg) und die TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG – an.
Mit den Plänen für das Wasserstoff-Kernnetz wurden auf Ebene der überregionalen Transportleitungen die Weichen für die „Wasserstoff-Autobahnen“ in Deutschland gestellt. Nach den aktuellen Planungen sind die Unternehmen in der Rennsteigregion weit entfernt von diesem Kernnetz. Daher sei es im nächsten Schritt erforderlich, um im Bilde zu bleiben, „Bundes-, Land- und Kreisstraßen“ zu planen, um Unternehmen und Kunden in der Fläche an das Wasserstoff-Kernnetz anzubinden. Um dies zu gewährleisten, kooperieren die Betreiber von Erdgasverteilnetzen in Südthüringen und Nordbayern mit dem vorgelagerten Gastransportnetzbetreiber, der Ferngas Netzgesellschaft. Die Unternehmen versorgen in der Region rund 200 Industrie- und Gewerbebetriebe sowie knapp 100 Gemeinden mit Gas.
Die Kooperationspartner sammeln alle relevanten Daten und ermitteln den erwarteten Bedarf an Wasserstoff im jeweiligen Netzgebiet, um weitere Schritte in der Entwicklung des Wasserstoffnetzes in die Fläche zu gehen. Die Netzbetreiber machen in einer gemeinsamen Pressemitteilung deutlich, „dass eine gemeinsame, vorausschauende und bedarfsgerechte Planung unerlässlich ist, um eine sichere, bezahlbare und effiziente Transformation der Infrastruktur gewährleisten zu können“. Dazu nehmen die Netzbetreiber auch ihre Kunden mit ins Boot. Das Bayernwerk etwa lud Anfang Februar 2024 zusammen mit dem HySON Institut für Angewandte Wasserstoffforschung (Sonneberg) zu einem Workshop für energieintensive Gasgroßkunden ein, die großes Interesse an einer Wasserstoffanbindung bekundeten.
Das von den Fernleitungsnetzbetreibern vorgestellte Wasserstoff-Kernnetz soll nach jetzigem Stand bis zur Sommerpause 2024 von der Bundesnetzagentur genehmigt werden, wodurch einem zügigen Start der Aktivitäten nichts mehr im Weg stehen würde. Nächste Stufe ist ein integrierter Netzentwicklungsplan (NEP) Gas und Wasserstoff, der erstmals im Jahr 2025 bei der Bundesnetzagentur eingereicht werden soll. Darin soll der Ausbau des Wasserstoffnetzes in die Fläche für die Jahre 2025 bis 2035 geplant werden. Die Betreiber der Erdgasnetze in Südthüringen und Nordbayern sehen hier die Chance, konkret jene Bedarfe aus der Region aufzuzeigen, die im Kernnetz nicht berücksichtig werden. Ziel ist letztlich die Planung von einem oder mehreren Bezugspunkten für Wasserstoff in der Rennsteigregion einzubringen.
„Mit unserer Kooperation bündeln wir Know-how und Kräfte, um frühzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die Rennsteigregion im gebotenen Maße mit Wasserstoff versorgt werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass Wasserstoff und andere grüne Gase in ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Preisen am Markt verfügbar sind, um eine nachhaltige und kosteneffiziente Energieversorgung zu gewährleisten“, heiß es weiter in der Pressemitteilung. Erste Fördermaßnahmen wurden bereits auf europäischer, nationaler sowie regionaler Ebene angestoßen. Die Verteilnetzbetreiber machen damit frühzeitig und vorausschauend ihre Hausaufgaben.
Ulf Unger, TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG: „Mit den derzeitigen Planungen zum bundesweiten Wasserstoff-Kernnetz werden im ersten Schritt vor allem die überregionalen Transportinfrastrukturen - sinnbildlich die Autobahnen - errichtet. Wie schnell wir Wasserstoff in einzelne Regionen in Thüringen bringen können, hängt dabei nicht nur von der Entfernung zu ebendiesen Autobahnen ab, sondern auch von der vorhanden Erdgasinfrastruktur, die wir bestenfalls auf den Betrieb mit Wasserstoff umwidmen können. Damit es hierbei aber nicht zu Einschränkungen bei der Versorgung mit Erdgas kommt, prüfen wir mit unseren Partnern in der Rennsteigregion, welche Systeme für die Anbindung von Südthüringen und Oberfranken in Frage kommen, und wie dies sowohl ökonomisch, ökologisch als auch bedarfsgerecht umgesetzt werden kann.“