Geophysiker Luis Kranz und Sarah Splettstößer suchen nach gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem zweiten Weltkrieg
Guido Werner/TEAG

Bombensicher

Beim Bau von Photovoltaikanlagen gibt es viele Hürden zu meistern. Eine davon ist die Suche nach gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem zweiten Weltkrieg.

Für die Geophysiker Luis Kranz und Sarah Splettstößer ist es ein Tag wie jeder andere – für Normalsterbliche birgt ihr Einsatz jedoch Nervenkitzel. Ausgerüstet mit einem fahrbaren Magnetik-Mehrkanal-Messgerät werden die Spezialisten der Firma Tauber Delaborierung in den nächsten Stunden einen etwa zwei Hektar großen Acker in der Nähe von Nordhausen befahren. Ihre Mission: Bomben, Munition und andere gefährliche Hinterlassenschaften aus dem zweiten Weltkrieg ausfindig zu machen.

Prüfung für neue PV-Anlage

Geophysiker Luis Kranz und Sarah Splettstößer suchen nach gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem zweiten Weltkrieg
Guido Werner/TEAG

Wenn alles nach Plan läuft, soll hier in einigen Monaten eine neue PV-Anlage entstehen, die die Energieversorgung Nordhausen in Zusammenarbeit mit TEAG Solar bauen will. Sie soll unter anderem die nahegelegene Biogasanlage mit grünem Strom versorgen. Um auch für Starkwind und andere Wetterlagen gerüstet zu sein, müssen die Pfosten der geplanten 800 kWp-Anlage bis zu zwei Meter in den Boden gerammt werden. Der Blick in den Untergrund ist also durchaus sinnvoll.

In Nordhausen, auf das im Krieg besonders viele Bomben abgeworfen wurden, hat die Stadtverwaltung die Überprüfung auf Kampfmittel als Voraussetzung für jede Baumaßnahme in die Bauordnung aufgenommen. Doch auch an vielen anderen Orten im Freistaat schwingt die Unsicherheit über gefährliche Hinterlassenschaften im Boden mit: Bei einem anderen Projekt in Nordhausen wurde bereits eine Fliegerbombe gefunden, bei einer Planung auf dem Gelände eines alten Umspannwerks in Eisenach gab es aufgrund der Verdachtsfälle keine Freigabe. „Wir führen bei allen Verdachtsflächen eine Kampfmittelsondierung durch“, erklärt Lukas Greifzu, Planer bei der TEAG Solar.

Sondierung beginnt im Archiv

Geophysiker Luis Kranz und Sarah Splettstößer suchen nach gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem zweiten Weltkrieg
Guido Werner/TEAG

Wenn bei den Kampfmittelräumern eine Anfrage zur möglichen Belastung einer Fläche eingeht, bedeutet das zunächst meist den Weg ins Archiv, erklärt Sarah Splettstößer. In einer riesigen Datenbank sind alle Hinweise zusammengetragen, die Aufschluss über die Vergangenheit geben können – vor allem alte, von alliierten Fliegern aufgenommene Bilder mit Bombenkratern sind hilfreich: „Schätzungen gehen davon aus, dass 10 bis 30 Prozent der damals abgeworfenen Bomben nicht explodiert sind.“ Wo nachweislich Bomben niedergegangenen sind, ist die Wahrscheinlichkeit entsprechend hoch, dass sich auch Blindgänger finden.

Kosten entscheiden über Stopp oder Weiterbau

Geophysiker Luis Kranz und Sarah Splettstößer suchen nach gefährlichen Hinterlassenschaften aus dem zweiten Weltkrieg
Guido Werner/TEAG

Bei Verdachtsfällen ist dann Handarbeit gefragt: Ausgestattet mit den speziellen Messgeräten wird auf den fraglichen Flächen nach ferromagnetischen Hinterlassenschaften im Boden gesucht. Unterstützt wird die Suche durch GPS-Ortung. Die erfassten Daten werden daraufhin am Computer analysiert. Wird tatsächlich etwas entdeckt, rollen die Spezialbagger des Bergetrupps an oder die geplanten Bauprojekte werden wegen der Kosten aufgegeben. „In etwa 95 Prozent der Fälle finden wir nur Schrott - aber in fünf Prozent eben doch nicht“, erklärt Sarah Splettstößer. In dicht besiedelten Gebieten, wo ohnehin viele Rohre und Leitungen im Boden sind, nutzen die Spezialisten zur Suche einen Bodenradar.

Anomalien unter der Erde

Die Analyse der Sondierung liegt einige Tage später vor, das Ergebnis ist eindeutig: Insgesamt wurden 49 Anomalien im Boden entdeckt, die auf Kampfmittelfreiheit überprüft werden müssen. Sechs davon befinden sich in vermuteten Bombentrichtern. Mit einem neuen Angebot von Tauber für diese Leistungen wird im nächsten Schritt zusammen mit der TEAG Solar und der Energieversorgung Nordhausen das Projekt und dessen Wirtschaftlichkeit erneut geprüft. Dann entscheidet sich, ob das PV-Großprojekt in die nächste Runde geht oder eine andere Fläche gefunden werden muss.